Infiziert vom Virus Klezmer
Ungehobelter Charme: Die fränkische Band "Klezmaniaxx" setzt bei ihrer Musik auf Authentizität


Der Virus kam über die Leinwand: "Jenseits der Stille" heißt der Film, in dem sich die gehörlose Lara mit ihrer Klarinette in der Welt behauptet und in dem der Star- Klarinettist Giora Feid- mann einen Gastauftritt hat. Vielleicht war sie sich damals noch nicht im vollen Umfang darü- ber bewusst, doch als der Abspann des Films über die Leinwand flim- merte, war Karen Harder bereits infiziert.
Zum Ausbruch kam der Virus bei einem Konzert des Nürnberger Klezmer- Klarinettisten Mitch Sauer und seiner Band. In ihrer Begeisterung ergriff ein verwegener Gedanke von der sonst so bedachten Frau Be- sitz: "Ich muss Klarinette lernen!" Ihr Mann Rudolf war der gleichen Mei- nung: "Du musst Klari- nette lernen!" Es kam, wie es kommen musste:


Schräg und schwungvoll: die Klezmaniaxx. Foto:kh



Dass es Spaß macht, hört man der Band bei jeder Gelegenheit an, egal, ob sie auf einem Straßenfest, einer Hoch- zeit oder in einer Kneipe spielt. Unverstärkt, und wenn's sein muss auch mobil, denn an eine Steckdose lassen sich die "Klezmaniaxx" nicht fesseln. Umso schwieri- ger war für die Band denn auch die Aufnahme ihrer ersten CD. "Wohl aus Mitleid, weil die Klang- qualität unseres Demo- tapes so schlecht war", hatten sie die zwei Tage (aus denen dann vier wurden) in einem Fürther Studio bei einem Wettbe- werb der Nürnberger Musikzentrale gewonnen. Ein durch Kopfhörer ungewohnter Sound, Zeitdruck und das Fehlen des sonst so wichtigen Blickkontakts machten die Session nicht gerade zu einem entspannten Erlebnis. Wer das Ergeb-

Während Karen sich mit Griff- und Blastechniken plagte, versuchte sich der gelernte Rockdrummer Rudolf am Sousaphon. Heute sind die beiden zwei von fünf "Klezmaniaxx", ma- nisch-verrückte Abhängige, süchtig nach der Droge Klezmer. Das fränkische Quintett befindet sich damit in bester und zahlreicher Gesellschaft.

Anhaltender Boom
Die Klezmer-Musik erlebt seit den frühen 1990er Jahren, in denen zahl- reiche amerikanische Bands durch die wiedervereinigten Lande tourten und Giora Feidmann mit seinen "Klezmer- Workshops" begann, einen bis heute anhaltenden Boom. Die "Klezmani- axx" - neben den Harders sind das Anita Bardenbacher (Akkordeon), Marcel Largé (Banjo, Mandoline) und Peter Riedel (Schlagzeug) - sind nach

 

"Huljet" und "Fialke" die mindestens dritte Band im Großraum, die sich der Musik der osteuropäischen Juden verschrieben hat.
Fragt man nach den Gründen für die Begeisterung, erhält man eine denkbar einfache Antwort: "Die Melodien sind schön und schmissig, außerdem kommt einem vieles vertraut vor",

sagt Karen Harder. Die "Klezmaniaxx" setzen auf die energetische, traditio- nelle Tanzmusik, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg in den jüdischen Vierteln osteuropäischer Städte zu Hochzeiten und anderen Festlichkei- ten gespielt wurde. "Authentizität ist mir wichtig", sagt Rudolf, "ich kopiere so gut wie möglich von den Origina- len."

nis, genannt "Shiker & schräg" (shiker bedeutet angeheitert), hört, bekommt davon glücklicherweise we- nig mit.
Schwungvoll werfen sich Akkor- deon, Klarinette und Mandoline (die die sonst eher gebräuchliche Geige ersetzt) die Bälle zu, während Schlagzeug und Sousaphon lustig übereinanderstolpern, was an zwei Betrunkene erinnert, die sich gegenseitig stützen. Shiker und schräg eben. Doch selbst wenn die CD gerade durch ungehobelten Charme besticht, so ist sie für die "Klezmaniaxx" erst der Anfang einer hoffentlich noch lange währenden Entwicklung.
PETER GRUNER

Aktuelle CD: Klezmaniaxx, "Shiker & schräg", Eigenvertrieb unter
www.klezmaniaxx.de